Digitale Zentralbankwährungen: Kommt der Krypto-Euro?

Jonas Gross
11 min readFeb 13, 2020

Autoren: Jonas Groß, Manuel Andersch, Jonathan Schiller (PDF-Version hier, englische PDF-Version hier)

Nach der Ankündigung von Libra und mit Beginn der EZB-Präsidentschaft von Christine Lagarde haben sich die Bemühungen der EZB in Sachen „digitales Zentralbankgeld“ (CBDC) spürbar intensiviert. Der Grundgedanke von CBDCs ist letztlich die Überführung von physischem Bargeld in die digitale Welt. Die genaue Ausgestaltung eines CBDC-Systems ist jedoch entscheidend mit Blick auf die Auswirkungen auf den Banken- und den Finanzsektor, die gesellschaftliche Akzeptanz und die geldpolitischen Optionen der Zentralbank. In den letzten beiden Monaten hat die EZB erstmalig konkrete Überlegungen zu einem CBDC-System veröffentlicht. Diese sind zwar nicht als final anzusehen, geben aber eine gute Indikation, wohin die Reise im Euroraum gehen könnte. Wir skizzieren diese mögliche CBDC-Welt in dieser Studie. Dabei zeichnet sich vor allem ab, dass auch in der Krypto-Euro-Welt Banken eine zentrale Rolle einnehmen könnten und sich deshalb entsprechend technologisch vorbereiten sollten.

Einleitung

Auch als Reaktion auf das Aufkommen von Bitcoin und anderer Kryptowährungs-Projekte begannen die ersten Zentralbanken bereits 2014 damit, eine mögliche Einführung einer eigenen digitalen Währung zu analysieren. Die Ankündigung von Libra im Sommer 2019 (für mehr Details zu Libra siehe Groß, Herz, Schiller, 2019, und die BayernLB Publikation “Libra: Chiemgauer via Whatsapp”) hat diesen Prozess weiter beschleunigt, sodass nun immer mehr Zentralbanken die Einführung einer eigenen digitalen Zentralbankwährung (Central Bank Digital Currency, CBDC) prüfen. Laut Angaben der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) untersuchen aktuell 70% der weltweiten Zentralbanken Implikationen einer CBDC-Einführung — 10% der weltweiten Zentralbanken gehen sogar davon aus, in der kurzen Frist (1–3 Jahre) eine CBDC einzuführen, in der mittleren Frist (bis zu 6 Jahre) sogar 20% (vgl. Boar, Holden, Wadsworth, 2020).

Die schwedische Zentralbank (Riksbank) analysiert seit 2017 die Einführung einer eigenen digitalen Zentralbankwährung, um die Rolle von Zentralbankgeld im Umfeld einer stark rückläufigen Bargeldnachfrage zu stärken und somit die Abhängigkeit vom digitalen Giralgeld des Bankensektors zu senken. Die schwedischen Notenbanker argumentieren, dass sich — in einer Welt ohne digitales Zentralbankgeld — im Falle einer Finanzkrise Turbulenzen im Finanzsektor negativer auf ihre Volkswirtschaft auswirken könnten.

Die chinesische Zentralbank (PBoC) hat im Herbst 2019 angekündigt, in naher Zukunft eine eigene digitale Zentralbankwährung einzuführen, um auch hier die Abhängigkeit vom Finanzsektor zu senken und digitale Transaktionen in Zentralbankgeld anbieten zu können. Allerdings dürfte damit auch das Ziel verfolgt werden, Finanztransaktionen der Bürger noch mehr zu überwachen und bei der Zentralbank “zu bündeln”. Zudem haben auch weitere kleinere Zentralbanken (in Kambodscha oder auf den Marshallinseln) die zeitnahe Emission einer digitalen Zentralbankwährung angekündigt. Die Richtung ist also klar: Immer mehr Zentralbanken beschäftigen sich mit der Einführung einer eigenen digitalen Zentralbankwährung. 2020 könnte folglich das Jahr werden, in dem die erste digitale Zentralbankwährung ins Leben gerufen wird.

Eine dritte Form von Zentralbankgeld

BDC ist vereinfacht gesprochen digitalisiertes Bargeld. Die EZB definiert CBDC als “eine Verbindlichkeit gegenüber einer Zentralbank, die für individuelle Bürger in digitaler Form zugänglich gemacht wird” (EZB, 2019). Damit würden CBDC eine dritte Form von Zentralbankgeld — neben Reserven der Banken bei der EZB und physischem Bargeld — darstellen. Eine CBDC kann darüber hinaus generell anhand folgender Gestaltungsmerkmale klassifiziert werden:

  • Zinszahlung: Eine CBDC kann sowohl zinstragend als auch nicht-zinstragend ausgestaltet sein. Eine unverzinsliche CBDC würde keine Zinserträge abwerfen und wäre ähnlich wie physisches Bargeld. Auch negative Zinsen sind möglich.
  • Zugang: Der Zugang zu CBDC kann auf bestimmte Akteure einer Volkswirtschaft, wie z.B. Banken oder andere Finanzinstitutionen, beschränkt werden. In diesem Fall wird die CBDC als “Wholesale CBDC” bezeichnet. Eine CBDC, die der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung steht, wird als “Retail CBDC” bezeichnet.
  • Operationelle Einrichtung: Ferner kann eine CBDC entweder konten- oder wert-basiert ausgestaltet sein. Im Falle einer konto-basierten CBDC (account-based CBDC) halten Kunden ihre Gelder auf einem Konto bei der Zentralbank. Im Falle einer wert-basierten CBDC (value- oder token-based CBDC) würde die CBDC ähnlich wie physisches Bargeld direkt als Wertgutschein in die Realwirtschaft emittiert werden.
  • Technologie: Zudem kann eine CBDC technologisch über eine verteilte Datenbank (Distributed Ledger Technologie, DLT) oder über ein konventionelles zentralisiertes Datenbanksystem ausgegeben werden. Eine Emission über eine DLT würde unter anderem auch dazu führen, dass die CBDC programmierbarer gemacht werden würde und dass Euro-notierte Smart Contracts genutzt werden könnten.

Mit Lagarde kam auch die CBDC-Task Force

Die EZB intensiviert ihre Bemühungen rund um CBDC. Bei ihrer ersten Pressekonferenz als EZB-Präsidentin im November 2019 hat Christine Lagarde angekündigt, eine eigene EZB-interne Task Force zu initiieren und Analysen zu CBDC weiter voranzutreiben. Konkret äußerte sie sich zu den CBDC-Ambitionen wie folgt: “My personal conviction is that given the developments we are seeing […] in the stable coins projects, […] we better be ahead of the curve if that happens. Because there is clearly a demand out there that we have to respond to.”

Den Worten folgten prompt Taten. Im Dezember 2019 veröffentlichte die EZB ein Papier zu einem konkreten CBDC-Prototypen, der auf einer DLT basiert und teilweise anonyme Zahlungen ermöglichen soll (EZB, 2019). Nur einen Monat später folgte ein weiteres Arbeitspapier, in dem ein CBDC-System vorgeschlagen wurde, das große Abflüsse aus dem Finanzsektor (Disintermediation) verhindern soll, um finanzielle Stabilität sicherzustellen (Bindseil, 2020). Die Motive der EZB hinter einer CBDC-Einführung sind wie bei anderen Notenbanken vielschichtig. Diese reichen von der Bereitstellung von “Programmable Money” (welches im Bereich IoT verwendet werden kann), über die Verbesserung der Effizienz bei grenzüberschreitenden Zahlungen (was eine Vereinbarkeit der jeweiligen CBDCs voraussetzen würde), bis hin zu geldpolitischen und Finanzstabilitäts-Überlegungen (Überwindung der effektiven Nullzinsgrenze und Reduzierung der Dominanz von Giralgeld). Bevor insbesondere auf den letzten Punkt genauer eingegangen wird, bietet es sich aber an, zunächst die bisherigen konkretisierten Pläne der EZB kurz vorzustellen.

CBDC à la EZB — Etwas Anonymität

Heute unterscheiden sich gängige Zahlungsmethoden, wie Banküberweisung, Zahlungen per ApplePay oder PayPal oder Bargeldtransaktionen, anhand ihrer Datensicherheit/Anonymität. Wird beispielsweise eine Transaktion über Apples Bezahldienst ApplePay abgewickelt, sind die Transaktionsdaten für Apple einsehbar. Im Falle einer Banküberweisung können die abwickelnden Banken die Zahlungsdetails einsehen. Allerdings gibt es schon seit Jahrhunderten eine komplett anonyme Zahlungsmethode: Bargeld. Bargeldtransaktionen laufen ohne Mitwirken eines Intermediärs ab, weshalb die Details nur den beiden Transaktionspartnern vorliegen. Der Grad an Datensicherheit und Anonymität ist auch im Kontext von CBDC von großer Wichtigkeit..

In der im Dezember 2019 veröffentlichten Publikation hat die EZB einen konkreten Retail- CBDC-Prototypen vorgestellt, der — ähnlich wie Bargeld — (teilweise) anonyme Zahlungen garantiert und gleichzeitig Anti-Geldwäsche-Bestimmungen (AML) berücksichtigt. Bemerkenswert ist, dass der vorgeschlagene CBDC-Prototyp auf einer DLT basiert und das Corda-Framework verwendet (bei Corda können alle Teilnehmer des Netzwerks miteinander interagieren und Vereinbarungen miteinander erfassen und verwalten). Die EZB gibt hier nur die CBDC aus, ein dezentrales Netzwerk an Intermediären wie Banken übernimmt das “Heavy Lifting”, indem sie AML-Checks anfordern, die notwendigen Applikationen bereitstellen und die kryptografischen Schlüssel zur Initiierung von Zahlungen in eigenen Wallets verwahren.

Abbildung 1: Zweistufiges System: Arbeitsteilung zwischen EZB und Banken

Quelle: BayernLB Research, EZB.

In dem entworfenen System werden die Identität und die Transaktionshistorie eines Benutzers der Zentralbank somit grundsätzlich nicht offengelegt und manche Transaktionen (deren Betrag aber begrenzt ist) können auch ohne Einsicht der AML-Behörde durchgeführt werden.

Technisch wird diese (Teil-) Anonymität dadurch umgesetzt, dass die Identität des Nutzers der AML-Einheit nicht übermittelt wird, wenn einer Transaktion sog. Anonymity Vouchers angehängt werden. Diese Voucher werden von einer AML-Behörde in regelmäßigen Zeitabständen ausgegeben, sind für eine bestimmte Zeit gültig und ermöglichen anonyme Geldtransfers für einen begrenzten CBDC-Betrag über einen vorher definierten Zeitraum. Jeder Bürger wird mit einer bestimmten Anzahl von Anonymity Vouchers in einer Art „Pro-Kopf-Pauschale“ ausgestattet. Sobald alle Gutscheine eingelöst worden sind, werden die Transaktionen nicht mehr anonym verarbeitet.

Allerdings ist hierbei zu beachten, dass die Transaktionen nicht ganz anonym stattfinden. Die involvierten Banken haben Einblick in die Transaktionen, weshalb eine solche CBDC einen deutlich geringeren Anonymitätsgrad aufwiese als Bargeld. Komplett anonyme Transaktionen ließen sich in DLT-System theoretisch technisch implementieren. Es gibt auch bereits erste Testversuche (u.a. mit sogenannten Zero-Knowledge-Proofs), allerdings könnten diese bis zur Marktreife in Corda noch mehrere Jahre benötigen.

Wie läuft eine 100 Euro-Transaktion in diesem System konkret ab?

  1. Der Kunde fragt 100 Euro in CBDC bei der Bank nach (Umrechnungskurs: 1 zu 1).
  2. Die Bank überprüft, ob der CBDC-Kontostand nach der Transaktion über einem bestimmten Limit liegt.
  3. Ist 2. erfüllt, fragt die Bank 100 CBDC-Einheiten bei der Zentralbank im Auftrag des Kunden nach.
  4. Die Zentralbank belastet das Reservekonto der Bank mit 100 Euro und autorisiert die Schöpfung von neuen CBDC-Einheiten, indem die Transaktion bestätigt wird.
  5. Die 100 CBDC-Einheiten werden dem Kunden auf sein CBDC-Konto bei der Bank gutgeschrieben und das Girokonto des Kunden wird um 100 Euro belastet.

Werden der Transaktion 100 Anonymity Vouchers angehängt, hat die Zentralbank und die AML-Behörde keine Einsicht in die Identität und die Transaktionshistorie des Kunden. Möchte bzw. kann der Kunde keine Anonymity Vouchers anbringen, hat die Behörde Einsicht in die Transaktion.

Theoretisch wäre ein CBDC-System denkbar, in dem die Zentralbank direkt — also ohne Banken — CBDC an Kunden ausgibt. Allerdings würden dabei aufwendige operative Aufgaben für die Zentralbank anfallen. Um dies zu vermeiden, hat die EZB ein CBDC-System skizziert, dass CBDC mittels Banken (zweistufiger Ansatz) an die Haushalte ausgibt. Somit wären Banken wichtige Intermediäre und wie bei klassischen Banküberweisungen dafür verantwortlich, die Richtigkeit der Transaktionen zu gewährleisten und analog zur Bargeldnachfrage auf die Nachfrage der Kunden nach CBDC einzugehen.

CBDC à la EZB — Balance finden

Eine digitale Form von Bargeld, die ähnliche Annehmlichkeiten wie ein herkömmliches Bankkonto bietet, tritt automatisch in Konkurrenz zu Depositen. Denn für den einzelnen Sparer bieten CBDCs einen entscheidenden Vorteil: das gesparte Geld ist Zentralbankgeld und nicht Bankengeld, d.h. eine Zentralbank garantiert vollumfänglich die Sicherheit des Geldes. Insbesondere bei Finanzkrisen dürfte diese zusätzliche Sicherheit eine große Rolle für Kunden spielen, da trotz der vorhandenen Sicherungssysteme immer Restzweifel an der Stabilität des Bankensystems bestehen dürften. Dies könnte zu zweierlei Konsequenzen führen: Erstens könnten Haushalte und Firmen ihre Einlagen bei Banken zugunsten von CBDCs reduzieren und zweitens in Zeiten finanzieller Unsicherheit Einlagen in größerem Umfang bei Banken abziehen und “sicher” bei der Zentralbank parken.

Der erste Effekt wird in der Literatur als Disintermediation bezeichnet. Letztlich verlängert sich die Bilanz der Zentralbank auf Kosten einer Bilanzverkürzung bei den Geschäftsbanken. Neben einer vermeintlichen Stabilisierung des Finanzsektors hätte das aber vor allem negative Konsequenzen. Banken könnten wegen der gesunkenen Einlagen auch weniger Kredite vergeben. Es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass die Zentralbank selbst ins Kreditgeschäft einstiege, da ihr im Vergleich zum Bankensektor dazu die Expertise und die nötige Risikobereitschaft fehlen. Dies könnte zu einer Verknappung und zu einer Fehlallokation von Krediten führen. Zusätzlich würden Banken unter Druck geraten, da ihnen mit reduzierten Sichteinlagen eine billige Finanzierungsquelle entgeht. Mögliche zusätzliche Kosten dürften an die Kreditnehmer weitergegeben werden und zu einer Verlangsamung der Kreditvergabe führen.

Der zweite Effekt ist als Bank Run bekannt. Spannungen im Finanzsektor, wie beispielsweise eine drohende Bankenpleite, würden Akteure dazu animieren, ihre Einlagen so schnell wie möglich von risikobehaftetem Bankengeld in Zentralbankgeld umzutauschen. Ein solches Verhalten würde dazu führen, dass den ohnehin schon angeschlagenen Banken zusätzlich Liquidität entzogen und damit eine Zahlungsunfähigkeit wahrscheinlicher wird. Obwohl es selbstverständlich auch ohne CBDC zu Bank Runs kommen könnte, dürften diese mit digitalem Zentralbankgeld deutlich heftiger ausfallen: so können Anleger problemlos von zu Hause aus ihr Geld eintauschen und müssen sich dabei auch keine Gedanken über die Aufbewahrung und die Sicherheit ihres Geldes machen, da der Betrag einfach digital von einem ins andere Konto verschoben wird.

CBDC können daher umfassende Implikationen für die Struktur, Stabilität und Effizienz des Finanzsektors haben. Im Design von CBDC ist es daher ganz entscheidend, effizienzsteigernde Effekte für den Zahlungsverkehr — wie geringere Transaktionsgebühren und schnelle Transaktionen — zu realisieren, dabei aber gleichzeitig die Disintermediations-Effekte zu minimieren. Um dieses Ziel zu erreichen, werden aktuell verschiedene Ansätze diskutiert. Ulrich Bindseil, der Generaldirektor für Marktinfrastrukturen und Zahlungsverkehr der EZB, schlägt vor, CBDC in zwei verschiedenen Klassen mit unterschiedlicher Verzinsung anzubieten. Anleger könnten dann CBDC nur bis zu einem gewissen Maximalbetrag in Klasse 1 halten. Alles darüber hinaus würde automatisch der Klasse 2 zugeordnet, in welcher Anleger eine deutlich schlechtere Verzinsung in Kauf nehmen müssten. Damit wäre CBDC als Zahlungsmittel weiterhin attraktiv, als Wertaufbewahrungsmittel allerdings ungeeignet. Konkret heißt das, dass Haushalte nur einen Teil ihres Geldes sicher und ohne Wertverlust bei der Zentralbank parken können und zwar so viel, wie für den Zahlungsverkehr normalerweise benötigt wird. Bindseil schätzt diese Grenze auf etwa 3.000 €. Alles darüber hinaus würde mit einem deutlich niedrigeren Zins vergütet, der in Zeiten von Geldmarktzinsen bei oder nahe der Nullgrenze dann negativ wäre.

Die mögliche EZB-CBDC-Welt: Zweimal zweistufig

Die vorgestellten Überlegungen der EZB sind keineswegs als final anzusehen, geben aber dennoch eine gute Indikation, wohin die Reise im Euroraum gehen könnte. Dabei zeichnen sich zusammengefasst folgende Punkte ab:

  1. Die EZB scheint — etwa ganz im Gegensatz zur PBoC — zumindest eine gewisse Anonymität und Privatsphäre bei Zahlungen mit CBDC ermöglichen zu wollen. Aktuell wären die Unterschiede zu Bargeld aber noch groß. So wären Zahlungen ohne Kenntnisse der involvierten Banken im aktuellen Proof of Concept nicht möglich, könnten aber theoretisch in der Zukunft technisch umgesetzt werden. Zudem müsste jeder, der eine Krypto-Euro Transaktion durchführen will, auch ein Wallet bzw. Konto dafür besitzen.
  2. Die Implikationen einer CBDC-Einführung für Banken hat die EZB genau im Blick. Die Überlegungen eines zweistufigen CBDC-Systems mit möglicherweise sehr negativen Zinsen für jene CBDC, die nicht als Zahlungs- sondern als Wertaufbewahrungsmittel genutzt werden, verdeutlichen, dass die EZB keinen Einlagenabzug im großen Stil aus dem Finanzsektor verursachen möchte. Eine gewisse Verschiebung des Verhältnisses Banken- vs. Zentralbankgeld erscheint aber dennoch wahrscheinlich.
  3. Ein zweistufiges System könnte sich auch zwischen EZB und den Geschäftsbanken ergeben. So scheint die Notenbank nicht gerade erpicht darauf zu sein, die Zahlungsabwicklung mit CBDCs selbst vorzunehmen und die kryptografischen Schlüssel für die Haushalte zu verwahren. Diese Aufgaben könnten in Zukunft Banken übernehmen bzw. übernehmen müssen (wenn es regulatorisch erforderlich würde). Damit kommt der in Deutschland dieses Jahr eingeführten Kryptoverwahrlizenz eine zusätzliche Bedeutung zu. So könnte diese am Ende nicht nur zur Verwahrung von Bitcoin und Co. notwendig sein, sondern ggf. auch für die Verwahrung von CBDCs. Die in der Bitcoin-Welt seit Jahren verfügbaren Software-Lösungen, etwa für Wallets, oder die Custody-Lösungen (Stichwort “Cold Storage”, also die von Remote-Zugriffen geschützte Speicherung von kryptografischen Schlüsseln) könnten am Ende nicht nur bei der sicheren Verwahrung und dem Senden und Empfangen von Bitcoins für Kunden zum Einsatz kommen.
  4. Die CBDC-Ambitionen der Zentralbanken dürften auch geldpolitische Motive haben. Nach dem Motto: Ist das analoge Bargeld (Zins: 0%) erst einmal weitgehend verdrängt, kann auf das digitale Bargeld ein beliebig negativer Zins festgesetzt werden, ohne das Kunden eine Option haben, diesen negativen Zinsen zu “entkommen”. Auf diesem Weg könnte die Einführung von CDBC ein erster Schritt sein. Trotz aller technischen Schwierigkeiten dürfte dieser Schritt aber deutlich weniger umstritten sein als ein Verbot des analogen Bargelds. Allerdings müssten die Zentralbanken andere Wertaufbewahrungsmöglichkeiten — wie Gold oder Bitcoin — zugleich entsprechend unattraktiv machen. Die aktuellen EZB-Publikationen weisen zudem nicht darauf hin, als stünden im Falle einer CBDC-Einführung unmittelbar drastisch negative Zinsen bevor. Aber in Sachen Geldpolitik gilt mittlerweile bekanntlich: “Sag niemals nie!”

Literaturverzeichnis

Bindseil, U. (2020): Tiered CBDC and the financial system, Working Paper Series, №2351.

Boar, C., Holden, H., Wadsworth, A. (2020): Impending arrival — a sequel to the survey on central bank digital currency, BIS Paper №107.

EZB (2019): Exploring anonymity in central bank digital currencies, IN FOCUS, №4.

Groß, J., Herz, B., Schiller, J. (2019): Libra — Konzept und wirtschaftspolitische Implikationen, Wirtschaftsdienst, №99, S. 625–631.

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Jonas Gross

Jonas Gross is Chairman of the Digital Euro Association (DEA) and COO at etonec. Further, Jonas holds a PhD in Economics.